Mit dem
Boot, an treibenden Eisbergen vorbei, zum
riesigen Knud Rasmussen Gletscher |
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Über Nacht waren Wolken aufgezogen. Würde das
Wetter halten? Schließlich hatten wir einen
langen Ausflug vor uns. Mit einem kleinen
Motorboot bis zum über 80 km (Luftlinie)
entfernten Knud-Rasmussen-Gletscher. Wir
gehen wieder zum kleinen Hafen am
Helikopterflugplatz, legen die Schwimmwesten an
und warten auf die beiden Boote. Es hatten sich
noch einige weitere Teilnehmer beim
Bootsbesitzer, dem Betreiber des „Roten Hauses“,
angemeldet. Wir waren also knapp 20 Leute – im
Wartestand. Am Sonntag geht es nicht so früh
los, meinte unser Guide. Richtig, eine knappe
halbe Stunde nach der vereinbarten Zeit
erschienen unsere beiden Boote mit den Inuit am
Steuer. Heute konnten wir also zum ersten Mal
unsere warme Bekleidung überstreifen. Mit recht
hoher Geschwindigkeit ging es in den Fjord
hinein. Bald schon tauchten die ersten Eisberge
auf. Unser Inuk nahm die Geschwindigkeit
herunter und wir umrundeten einen der mächtigen
Berge. Zum Geburtsort dieser Giganten war es
noch ein ganzes Stück zu fahren. Erster
Zwischenstopp an Land im Ikateq Fjord:
ein Ort der auf keiner Landkarte verzeichnet
ist, die verlassene amerikanische Militärbasis
Old Ikateq aus den vierziger Jahren des letzten
Jahrhunderts. Unterschiedliche Aussagen über den
Zweck der Einrichtung habe ich erhalten. Unser
Guide meinte, sie wäre erst nach dem 2.
Weltkrieg in Betrieb genommen worden. Nach
Informationen aus dem Internet, die mir
wahrscheinlicher vorkommen, diente sie zu
Kriegsende als U-Boot-Basis zum Auftanken der
Schiffe und als Lazarett für Schwerstverwundete.
U-Boote wurde hier tatsächlich betankt, wie die
einfach liegengelassenen Kerosinfässer heute
noch bezeugen. Sehr hastig wurde die Basis
offensichtlich verlassen, die Autos rosten vor
sich hin, Stahlträger liegen im Gelände und der
ehemalige Flugzeughangar verfällt. Die Landebahn
ist aber immer noch gut zu erkennen. Kein
Wunder, bei dem kargen Bewuchs und dem trockenen
Klima wird es wohl noch Jahrzehnte dauern, bis
die Zeugen des (Kalten?) Krieges verschwunden
sind. Skurrile Fotomotive bleiben also noch
lange erhalten.
Hier ein Internetzitat: „Die Amerikaner
verließen Old Ikateq Anfang der 1950er Jahre
innerhalb weniger Stunden und ließen die dort
vorhandenen Besitzstände in weiten Teilen
zurück. Nachdem die Amerikaner Old Ikateq
verließen, zog es die Inuit in die
Einrichtungen. Sie holten aus den Gebäuden alles
Brauchbare. So fanden sie Ersatzteile, Kerosin
und ganze Häuser. Eines der besten Beispiele
dafür ist der Klubben in Tasiilaq, der ebenfalls
aus Old Ikateq stammt.“ (Quelle:
http://www.groenland-blogskandinavien.de/im-groenland-urlaub-old-ikateq-entdecken/2011/05/)

Nachdem wir uns die Füße vertreten haben, geht
es im engen Boot in den Sermiligaq-Fjord
hinein bis schließlich der gewaltige
Knud-Rasmussen-Gletscher ( siehe Bildergalerie)
vor uns auftaucht. Die Eisfront ist etwa zwei
Kilometer breit und ragt vielleicht 30 Meter aus
dem Meer empor. In einiger Entfernung legen
unsere Boote am Ufer an. Wir machen eine kleine
Mittagspause mit Robbenfleisch (im „Roten Haus“
zubereitet) und nähern uns zu Fuß der
Gletscherwand. Zum Glück hatte das Wetter bisher
gehalten. Sogar die Sonne schien immer wieder
durch die dünne Wolkendecke. Unser Guide erzählt
uns vom tragischen Unfall einiger Kajakfahrer.
Sie hatten entgegen des Ratschlags der
Grönländer dicht am Ufer gezeltet. Als in der
Nacht ein mächtiger Eisberg aus dem Gletscher
brach, vernichtete die folgende Tsunamiwelle das
gesamte Lager.
Eine
zweite Gruppe hatte etwas mehr Glück. Ihr Camp
stand auf einem höher gelegenen Felsen, die
Kajaks waren trotzdem weg. Keine angenehme
Vorstellung, mehr als 80 km Luftlinie von der
nächsten Ortschaft entfernt in der arktischen
Einsamkeit festzusitzen. Wir steigen wieder in
unsere Fahrzeuge und die beiden Bootsführen
nehmen Kurs auf die Gletscherwand. In geringer
Entfernung fahren wir die Eisfront ab. Kein ganz
ungefährliches Unterfangen. Immer wieder
knistert es in der riesigen Eiswand und kleine
Stücke fallen ins Meer. Einige hundert Meter vor
uns treibt ein Eisberg im Fjord. Der ist vor
wenigen Tagen aus dem Gletscher herausgebrochen.
Nicht nur fotografieren und filmen denke ich
mir, schaue dir das Naturschauspiel auch in Ruhe
an. Zum Glück bleibt unser Inuk völlig gelassen
und fährt minutenlang die Gletscherfront ab.
Irgendwann beschleunigt er dann aber sein Boot
wieder und wir fahren zu einem weiteren riesigen
Gletscher, dem ebenfalls in den Fjord fließenden
Karale-Gletscher. Neben diesem türmt sich
das Eis über einhundert Meter hoch in einem
namenlosen kleineren Hängegletscher. Wieder
fahren wir staunend die Eisfront ab. Schließlich
müssen wir an die Rückfahrt denken. Der Himmel
hat sich zwischenzeitlich völlig bewölk. „Keine
Bange, wir kommen trocken zurück“, meint unser
Guide. Auf der Rückfahrt sehen wir dann noch
einen riesigen Finnwal. Leider hatte ich
meine Fotoausrüstung schon verpackt, nach dem
Hinweis, dass es wegen der schnellen Rückfahrt
sicher ins Boot spritzen würde. Der Vorteil: ich
kann ganz in Ruhe beobachten, wie der Wal immer
wieder einmal an der Oberfläche auftaucht. Bei
einem letzten Zwischenstopp an einer verlassenen
Siedlung der Inuit sitzen wir plötzlich mit dem
Boot fest. Gut, dass noch ein zweites Fahrzeug
mit ist. Einige unserer Passagiere müssen
kurzzeitig umsteigen, um unseren „Kahn“ zu
entlasten. Ich möchte jetzt hier nicht ins Meer
fallen bei Temperaturen wenig über dem
Gefrierpunkt des Wassers. Unser Boot kommt frei,
wir können die Fahrt fortsetzen, fast bis zur
Anlegestelle in Tasiilaq. Wenige hundert Meter
vor der Anlegestelle geht dem zweiten Boot der
Sprit aus. Müssen die jetzt rudern? Natürlich
nicht. Im Reservekanister scheint zwar nur noch
der Boden bedeckt zu sein, aber für die paar
Meter reicht es noch.
Fortsetzung:
zurück über Island nach
Deutschland |
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