08.10.2008 ...Sein Gipfel hat zwei Spitzen, die ein ganzes Stück auseinander liegen. Im Westen sehen wir seinen großen Eisfall. Auf der rechten Flanke vor uns im Tal ragt eine Gruppe drei markanter Felsenskulpturen auf, sie erinnern mich an die Guru Rinpoche-Säule am Kangchendzönga-Gletscher. Es geht ein Stück direkt auf der vereisten Ostflanke des Dhaulagiri entlang, dann werden die Hügel auf dem Gletscher steiler und größer, die Orientierung wird schwierig, wir müssen die Wegspuren suchen, die jetzt durch kleine Täler und über ausgesetzte Hügelkämme führen. Manchmal hacken unsere Begleiter mit dem Eispickel Stufen in die Flanken der Eishügel. Trotzdem werden keinerlei Ausrüstung wie Steigeisen, Pickel oder Seil benötigt. In einem windgeschützten Tal verspeisen wir unser Lunchpaket, dass uns früh von der Küche mitgegeben wurde: Chapati, gekochte Eier, Salami, Schnittkäse, Kekse und eine Apfelsine. Dazu trinken wir unser am Vorabend eingefülltes Wasser, ich löse Magnesium-, Kalzium- oder Vitamin C-Tabletten darin auf. Manche klagen über leichte Kopfschmerzen und Übelkeit, sie bekommen fast nichts hinunter.

Die Wolken haben sich wieder vor die Gipfel geschoben, es wird kühl, 4°C, langsam wird die dickere warme Ausrüstung aus den Rucksäcken hervor genestelt. Auch Handschuhe und Mütze sind jetzt begehrt. Es schneit leicht und es liegt vorerst 10 cm Schnee. Als erstes Zeichen für das Dhaulagiri Base Camp (4750 m) sehen wir eine herrenlose leere 5 Liter-Gasflasche, die sich im Schnee herumlümmelt. Es folgen mehr oder weniger angeschmorte Müllhaufen. Auf den Moränen des Gletschers stehen Stupas oder Chörten, wehen uns tibetisch-nepalesische Gebetsflaggen entgegen. Es sind drei Profi-Bergsteigerteams anwesend, aus Norwegen, Polen und der Tschechei, die sich die Besteigung des siebthöchsten Achttausenders (8167 m) vorgenommen hatten. Mitten durch ihre Lager führt uns der Weg. Ich spreche mit zwei ihrer nepalesischen Guides. Leider können alle drei Gruppen keinen Gipfelerfolg vermelden, sie sind jetzt mit der Abreise beschäftigt und warten auf ihre Träger. Später werden einige Porter unseres Teams zu ihnen zurückkehren, um sich beim Hinuntertragen der Ausrüstung gutes Geld zu verdienen. Meiner Meinung nach sind sie etwas zu früh dran im Oktober, die beste Zeit ist meist gegen Ende des Monats, wahrscheinlich kommen nach ihnen weitere angemeldete Gruppen zum Gipfelversuch hierher.

Die tschechischen Kletterer sind in diesem frühen Zeitfenster angeblich bis 200 m unterhalb des Gipfels vorgedrungen. Der außergewöhnlich viele Schnee diesen Herbst, vor einer Woche wurde hier „unten“ ein Meter gemessen, ist der Hauptgrund für diese relativen „Misserfolge“. Jetzt sind nur noch die unmittelbar nahe gelegenen Aufschwünge der Berghänge im dichten Nebel auszumachen. Unsere Gruppe ist sehr weit auseinander gezogen, ab und zu kommt ein Träger gelaufen, unter der schweren Last gebeugt, trotz der Kälte schweißgebadet und fast immer ein Lächeln für uns auf den Lippen. Kurz nach den Zelten der Tschechen erreichen wir fast den linken Rand der Moräne, vor uns liegt der riesige Fuß des Tukuche Peak. Durch das Aufbauen des Zeltes und das Herumhantieren mit den schweren Steinen bekomme ich Kopfschmerzen und ich verspüre keinen Appetit oder Hunger, deshalb drücke ich mich vor dem reichlichen Abendessen. Ich trinke nur etwas heißes Wasser, esse etwas Schokolade und einige Kekse, ruhe mich im Zelt aus, später am Abend geht es mir besser. Aspirin hat mir etwas dabei geholfen. Auch einigen anderen geht es ähnlich, dazu kommt noch Kurzatmigkeit, beim Drehen im Schlafsack kann man schon mal leicht außer Puste geraten. Draußen ist alles tief verschneit, glasklarer Sternenhimmel jetzt, der hier auf dieser Höhe einfach überwältigend und umwerfend ist. Die Sternbilder erscheinen sehr nahe und deutlich. Die Temperatur sinkt unter den Gefrierpunkt bis ca. – 5°C.

Im Zelt ist es um den Gefrierpunkt. Diese stehen halb schief, halb schräg, wie es gerade kam. Mit allen möglichen Sachen versuche ich, die Liegefläche horizontal zu gestalten, was mir nur teilweise gelingt. Wenn ich mich bewege, knirscht der Schnee unter mir. Das Toilettenzelt wird heute weggelassen, bei Bedarf wird in die weiße Prärie gesch...aut und dort das Geschäft erledigt. Wenn dann alles noch gut abgedeckt oder gar vergraben wird, ist die Natur wieder im Gleichklang, die nächsten Touristen können kommen.

 + 575/ - 105 m in 5:45 Std. (0:30 Std. Pause)
 




Fenster schließen